Jedes Jahr kommen bis zu 8.000 Kinder in Deutschland mit einem angeborenen Herzfehler auf die Welt. Zu den modernen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten gibt Prof. Dr. Deniz Kececioglu, Kinderkardiologe und Chefarzt im Kinderherzzentrum und Zentrum für Angeborene Herzfehler des Herz- und Diabeteszentrums NRW, Bad Oeynhausen, anlässlich des bundesweiten Tages des herzkranken Kindes Auskunft.
Herr Prof. Kececioglu, alljährlich macht der Bundesverband herzkranker Kinder auf die Probleme von Menschen mit angeborenem Herzfehler aufmerksam. Welche medizinischen Entwicklungen in der Behandlung sind aus Ihrer Sicht erwähnenswert?
Kececioglu: Unbehandelt mussten vor 30 Jahren noch bis zu 25 Prozent der Kinder mit einem schweren Herzfehler sterben. Heute erreichen über 90 Prozent der Patienten dank adäquater Therapie das Erwachsenenalter. Die Weiterbehandlung der Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (Abkürzung „EMAH“) erfolgt zum größten Teil über zwölf spezialisierte Zentren in Deutschland, darunter das Herz- und Diabeteszentrum NRW. Die Qualifikation ist erforderlich z.B. wenn es um die Frage geht, ob eine junge Frau mit einer Herzfehlbildung Kinder haben möchte.
Welche Herzfehler kommen am häufigsten vor?
Kececioglu: Sehr häufig sind Löcher in der Herzscheidewand. Wenn sie klein sind, braucht man gar keine Behandlung. Wenn sie größer sind, können sie je nach Lage im Herzen entweder mit einem Spezialkatheter oder operativ verschlossen werden. Diese Art der Herzfehler machen etwa 70 Prozent aller Fehlbildungen aus. Es gibt aber auch komplexe Fehlbildungen, bei denen z.B. eine Herzkammer fehlt oder die Anlagen der Aorta und Lungenschlagader vertauscht sind. Diese machen oft eine Reihe von Operationen notwendig, meist bereits im Säuglingsalter sowie weitere Eingriffe im Laufe des Wachstums.
Welche Herzfehler sind nicht heilbar?
Kececioglu: Bei fortschreitenden Herzmuskelerkrankungen und Herzversagen muss eine Herztransplantation in Betracht gezogen werden. In unserem Zentrum wurden im vergangenen Jahr acht Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren herztransplantiert. Aber insgesamt kann man sagen, dass angeborene Herzfehler viel von ihrem früheren Schrecken verloren haben. Dazu trägt auch die vergleichende Qualitätssicherung über die Deutschen Fachgesellschaften bei. So konnte die bundesweite Sterblichkeitsrate bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen in den letzten 15 Jahren auf 2,8 Prozent gesenkt werden. In unserem Zentrum liegt sie sogar deutlich darunter: 2014 betrug die Sterblichkeitsrate in Bad Oeynhausen unter 1 Prozent.
Was raten Sie werdenden Eltern?
Kececioglu: Auf jeden Fall sollten im Verdachtsfall die Möglichkeiten der vorgeburtlichen Diagnostik wahrgenommen werden. Je früher eine Fehlbildung erkannt und behandelt wird, um so besser sind die Aussichten auf eine vollständige Heilung. Sind angeborene Herzfehler in der Familie bekannt, sollte vor der Familienplanung eine humangenetische Beratung erfolgen. Auch hier gilt: eine gute Information kann den Schrecken nehmen. Denn unterschiedliche Herzfehler werden von Vater oder Mutter auch unterschiedlich häufig weitergegeben.